Elsa Winokurow (1883–1983): eine deutsch-russische Biographie
Im Jahr 1903 machte sich Elsa Winokurow, geb. Rammelmeyer (1883–1983), auf den Weg nach Zürich, um an der dortigen Universität Medizin zu studieren. Der Zustrom russländischer Frauen an schweizerische Hochschulen hatte bereits in den 1860er Jahren angefangen und riss auch zu Beginn des neuen Jahrhunderts nicht ab, denn die Studienmöglichkeiten für Frauen in Russland waren nach wie vor eingeschränkt. Nach einem kurzen Aufenthalt in Zürich studierte Elsa Winokurow in Berlin bevor sie 1906 – mitten in den Wirren der Revolution – nach Moskau zurückkehren musste. Ihr weiteres Leben war ein Kampf um den akademischen Abschluss – was sie zwischenzeitlich wieder nach Deutschland geführt hatte – und die berufliche Behauptung während des Ersten Weltkrieges in Russland und des Zweiten Weltkrieges in Deutschland. Im Jahr 1950 ließ sich Winokurow als Fachärztin für Orthopädie in der eigenen Praxis in Hannover nieder.
Als Kind deutscher Eltern wuchs Elsa Winokurow gemeinsam mit drei Brüdern in Moskau auf. Ihr wechselvoller Lebensweg zeigt, mit welchen Hürden sie als Angehörige einer ethnischen Minderheit in Russland konfrontiert war und als Frau überwinden musste, um in der von Männern dominierten akademischen Welt Fuß zu fassen. Anhand ihres Nachlasses, der unter anderem ein Tagebuch, Korrespondenz und zahlreiche Fotografien umfasst, lassen sich somit faszinierende Kapitel der europäischen Frauengeschichte, insbesondere das Frauenstudium, und der deutsch-russischen Beziehungsgeschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts analysieren.
Das Ziel dieses Projektkurses ist es, den Nachlass von Elsa Winokurow digital aufzubereiten, ihre grenzüberschreitende Lebens- und Familiengeschichte zu rekonstruieren und sie in Form einer virtuellen Ausstellung zu präsentieren. Dank Zusammenarbeit mit der Bayerischen Staatsbibliothek, der Bayerischen Museumsakademie und dem DHVLab der IT-Gruppe Geisteswissenschaften an der LMU bekommen die KursteilnehmerInnen die Möglichkeit, die Chancen der digitalen Quellenkritik und der Geschichtsvermittlung auszuloten und sich somit mit den digital humanities und der public history vertraut zu machen.
Nach Abschluss des gesamten Kurses werden 10 ECTS vergeben.
Projektleitung: Kornelia Kończal (LMU) und Arpine Maniero (Collegium Carolinum)
Zeit und Ort: freitags, 10:00-11.30 Uhr, digital
Literatur:
Auga, Ulrike (Hg.): Das Geschlecht der Wissenschaften. Zur Geschichte von Akademikerinnen im 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt am Main 2010.
Dahlmann, Dittmar: Deutsche in St. Petersburg und Moskau vom 18. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Lüneburg 1994.
Dahlmann, Dittmar: Deutschland und Russland: Aspekte kultureller und wissenschaftlicher Beziehungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Wiesbaden 2004.
Fleischhauer, Ingeborg: Die Deutschen in der UdSSR in Geschichte und Gegenwart: ein internationaler Beitrag zur deutsch-sowjetischen Verständigung. Baden-Banden 1990.
Jannidis, Fotis: Digital Humanities: eine Einführung. Stuttgart 2017.
Kästner, Ingrid (Hg.): Deutsch-russische kulturelle und wissenschaftliche Wahrnehmungen und Wechselseitigkeiten vom 18. zum 20. Jahrhundert. Aachen 2016.
Maurer, Trude: Der Weg an die Universität. Höhere Frauenstudien vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert. Göttingen 2010.
Warwick, Claire, Melissa Terras, Julianne Nyhan (Hg.): Digital Humanities in Practice. London 2012.
- Teacher: Kornelia Konczal