Eine Ästhetik des Schreckens und der Gewalt ist seit Anbeginn der Filmgeschichte fester Bestandteil des Mediums. Man könnte gar in Anlehnung an Karl Heinz Bohrer von einem grundlegenden Bedingungsverhältnis von Film und Gewalt sprechen – denn nicht nur die Erzählungen des Kinos behandeln immer wieder Fiktionen von Gewalt, auch die Technik des Mediums selbst zeigt eine unverkennbare Affinität zur Gewalttätigkeit: allein die Terminologie von shots und cuts der essentiellsten filmsprachlichen Instrumente Kamera und Montage deutet auf diesen Zusammenhang hin; ob Hitchcocks Duschmord-Schnittmassaker oder die stilistischen Exzesse eines Gaspar Noé – Filme setzen immer wieder in geradezu aggressiver Weise zu audiovisuellen Angriffen auf Zuschauersinne und -körper an.
Den verschiedensten Facetten filmischer Gewaltdarstellung nachzuspüren sowie die Entwicklung der Gewalt-Motivik über den Lauf der Filmgeschichte nachzuzeichnen, soll also Ziel dieses Seminars sein. Der filmhistorische Untersuchungsrahmen reicht dabei vom nonnarrativen Stummfilmkino der Attraktionen bis hin zum Post-9/11-Torture Porn und den Splatter-Eskapaden des heutigen Quality TVs.
Diverse filmtheoretische und -analytische Ansätze sollen helfen, das Phänomen Film und Gewalt in seinen unterschiedlichen Ausdrucksformen zu deuten und Fragen nach Ästhetik, Inszenierung, Dramaturgie und vor allem auch Funktion bzw. Nutzen der filmischen Gewaltdarstellungen zu klären. Wie sinnvoll lässt sich etwa die aristotelische Katharsis-Hypothese auf den Filmbereich übertragen? Wie kann man sich das „Paradox of Horror“ (Noël Carroll: The Philosophy of Horror) – jene eigenartige Verquickung von verführerischer Faszination und Abscheu beim Anblick von Bildern der Gewalt und des Schreckens – erklären? Was hat es mit sadistischer Schaulust und masochistischer Angstlust auf sich? Wie lassen sich Theorien der Performativität oder der Transgression für das Medium Film adaptieren? Inwiefern sind die Gewalt-Provokationen des New Hollywoodkinos filmsoziologisch als Reflexion des Vietnam-Traumas oder die äußersten Naturalismus anstrebenden Folter-Narrationen des Post-9/11-Horrorfilms als War on Terror-Allegorien aufzuschlüsseln? Wie verhalten sich die Gewalt-Inszenierungen einer phantastisch-cartoonesken Splatter-Hyperbolik zu dem authentifizierendem und verstörendem Realismus des sogenannten Terrorkinos?
- Teacher: Michael Humburg
- Teacher: Camilla Schneider