Archäologie an Schauplätzen der NS-Zeit in Bayern
Dr. Jochen Haberstroh
Do 16-18 Uhr c.t., Schellingstr. 12, K 536
Die Aussagekraft archäologischer Quellen wurde im Umgang mit den Ereignissen der NS – Zeit lange unterbewertet. Besonders in Südbayern fand in den letzten Kriegsjahren ein massiver Ausbau der Rüstungsindustrie und damit verbunden auch der Lager für Zwangsarbeit statt. Die vom Musterlager Dachau verwalteten Außenlager für den Bau von Großbunkern und für die Produktion dort und in bestehenden Rüstungs- und Munitionsbetrieben überziehen große Gebiete Südbayerns fast flächenhaft. Daneben finden sich hier zentrale Schaltstellen des NS-Regimes, in denen der Holocaust geplant und organisiert oder die Parteiarbeit gesteuert wurde. Zu all diesen Plätzen liegen archäologische Quellen in unterschiedlicher Erhaltung vor, deren Aussagekraft die historische Überlieferung ergänzt und zuweilen ersetzen muss. Archäologische Untersuchungen sogenannter Opferorte der NS-Zeit werden in Deutschland seit den 90er Jahren insbesondere in den neuen Ländern durchgeführt. In bayerischen Lagerstandorten fanden die ersten Untersuchungen kurz nach der Jahrtausendwende statt und wurden im universitären Kontext oder in Verbindung mit der Entwicklung der Gedenkstätten durchgeführt. Erst seit wenig mehr als einem Jahrzehnt finden archäologische Untersuchungen als Maßnahmen der Bodendenkmalpflege an Schauplätzen der NS-Zeit in Bayern statt. Neu ist dabei die fachliche Auseinandersetzung auch mit den sog. Täterorten. In einer Archäologie an Schauplätzen der NS-Zeit unterscheiden sich Fragestellungen und Methodik z.T. erheblich von archäologischen Untersuchungen in anderen Epochen der Vor- und Frühgeschichte, aber auch der AMANZ. Schriftliche und bildliche Überlieferung sind hier nicht nur einer zufälligen Auswahl, sondern gezielter Manipulation und Selektion unterworfen. Korrektur und Veranschaulichung dieser Überlieferung sind wichtige Aufträge an die Archäologie. Und auch der denkmalpflegerische Umgang mit diesen Quellen stellt neue Fragen. So steht die archäologische Restaurierung vor „neuen“ Komposititmaterialien und viele Fundgattungen erlauben nur eine selektive dauerhafte Aufbewahrung.
Die Archäologie benötigt für diese Aufgaben neue Methoden und Kompetenzen, die sich nur in transdisziplinärer Zusammenarbeit gewinnen lassen.
Ausgehend von bayerischen Beispielen will die Übung einen Überblick über den aktuellen Forschungstand bieten und die gegenwärtige Diskussion einer Archäologie der Moderne beleuchten.
- Trainer/in: Jochen Haberstroh
- Trainer/in: Ken Massy
- Trainer/in: Thomas Simeth